Bericht8
Dieser Bericht wird mehr eine Zusammenfassung der letzten drei Jahre sein, alles bekomme ich gar nicht mehr zusammen, dafür habe ich aber noch viele Fotos, die diese Zeit dokomentieren werden.
Sonja wurde also von der KMT entlassen und es ging auf die Station Kinder1. Für mich war das mal wieder ein sehr bedeutender, eigentlich glücklicher Tag, der leider dadurch beschattet wurde, das gerade kurz bevor wir gingen, ein anderes Mädchen auf der KMT gestorben war, es hat mich sehr mitgenommen und ich muß oft daran denken. Somit habe ich es als glückliches Schicksal erlebt, daß wir es geschafft hatten, freuen konnte ich mich nicht so richtig, zu sehr haben mich die einzelnen Schicksale bedrückt. Sehr liebevoll wurden wir auf der Station Kinder1 aufgenommen, auch dem Personal merkte man die Freude und Erleichterung an, daß Sonja es geschafft hatte. Eine kurze Zeit durfte sie nur in ihrem Zimmer bleiben, danach dann langsam auch mit Mundschutz nach draußen und ins Spielzimmer, wo sie immer sehr liebevoll von Gitta der Erzieherin betreut wurde. Auch die Maltherapeutin sowie der Musiktherapeut Gerd kümmerten sich weiterhin um die kleine Maus.
Mehrere Wochen sollte es dauern, bis Sonja wieder essen konnte, sie wurde künstlich ernährt. Alles mögliche haben wir angeschleppt, damit sie wieder Appetit auf Essen bekam. Sonja hatte vorher eine Vorliebe für Spagettis gehabt, wie alle Kinder, :-)), vor allen Dingen fand Sie es toll, diese selbst zu kochen. Bei einem Spaziergang in die Stationsküche sah sie einen Vater, der seinem Kind gerade welche zubereitete und man mag es kaum glauben, Sonja fragte, ob sie auch welche bekommen könnte. So fing mein Kind wieder an zu essen, Gitta war dann sehr oft mit ihr in der Küche, um Nudeln zu kochen. Sonja bekam auch noch sehr viele Medikamente und Infusionen, die Infusionspumpen rollten bei Ausflügen immer mit. Ich hatte viele Ängste, daß der Schlauch reißen könnte, Sonja hatte sehr viel Temperament, auch hatte ich Angst, daß Luft in das System kommen könnte. Eigentlich hatten wir gehofft, daß wir zu Sonjas Geburtstag am 10.Apil mal wieder zu Hause sein könnten, aber das haben wir leider nicht geschafft. Dafür habe ich es ihr in ihrem Zimmer nett gemacht und auch die Schwestern hatten eine Superüberraschung und ein Ständchen parat! Somit war es ein toller Geburtstag.
Danach hatte ich mal eine Woche Urlaub, meine Mutter hat mich in Hamburg vertreten und ich bin nach Hause gefahren, zu meinen beiden anderen Kindern. Als ich zurückkam, habe ich Sonja erst gar nicht erkannt, sie bekam auf einmal Haare, pechschwarz :-)) vorher war sie blond! Ich habe mich dann aber schnell daran gewöhnt.Nachdem wir ca.3 Monate in Hamburg waren, ging es das erste Mal wieder nach Hause. Dieses konnte aber nur funktionieren, wenn Sonja bereit war, alle Medikamente zu schlucken, Infusionen waren zu Hause ja nicht möglich. Ich will die Medikamente nicht alle aufzählen, das wichtigeste war das CSA, gegen eine Abstoßung des neuen Knochenmarks, es mußte morgens und abends immer um die gleiche Uhrzeit gegeben werden und roch/schmeckte absulut ekelig, immer dieser Druck, wenn sie es nicht schluckt müssen wir in die Klink. Kein Ausschlafen, wieder alle zwei Tage in die Klinik zum Blutabnehmen und Durchspülen des Katheters. Aber es hat sich gelohnt!
Lange ging es zu Hause leider nicht gut, Sonja ging es sehr schlecht, wir mußten wieder nach Hamburg in die Klinik. Dort verbrachten wir dann auch den Sommer. Sonja wurde sehr schwer krank, die genauen Zeiten weiß ich nicht mehr.
Sie bekam schlimme Schmerzen sowie Lichtempfindlichkeit in den Augen. Mehrere Arzttermine folgten, es konnte keine Ursache gefunden werden. Mein Kind litt und ich konnte ihr nicht helfen, daß war schlimm. Dann verschlechterten sich rapide die Leberwerte, Aufnahme in der Klinik, die Lunge machte Probleme, -akute Lebensgefahr. Es wurde Blut abgenommen, um auf bestimmte Viren zu untersuchen, der Nachteil ist, daß es mehrere Tage dauert, bis das Ergebnis da ist, weil bestimmte Kulturen angelegt werden müssen. Nun wurde, weil sich Sonjas Zustand rapide verschlechterte, vorsorglich per Infusion ein starkes Medikament gegeben, wo sich später herausstellte, daß es genau das richtige war. Trotzdem ging es erstmal rapide beragab und es wurde ein Medikament aus den USA bestellt. Dieses Medikament war nicht ungefährlich, denn Sonja mußte danach sofort eine Tablette einnehmen, sonst würde es zu einem akuten Nierenversagen kommen. Kurz bevor dieses Medikament eintraf, ging es Sonja wieder besser, sie brauchte es nicht mehr einzunehmen. :-))). Das war mal wieder eine schlimme Zeit und es ging den Sommer über nur sehr langsam bergauf. Sonja fing an, durch die starken Medikamente psychisch zu reagieren, sie wurde sehr agressiv, bekam Schrei- und Kratzatacken , schmiß sogar mal einen Stuhl durch das Spielzimmer, :-((, ihre ganze Wut richtete sich gegen mich. Eine Zeit lang bekam sie vorsichtig dosiert ein Beruhigungsmittel, sonst hätte sie sich und andere verletzt. Auch eine Magensonde mußte gelegt werden, weil sie sich weigerte, die Medikamente einzunehmen. Doch dann ging es wieder in die positive Richtung.
Ein großes Highlight war das Sommerfest der Kinderkrebsstation, es war klasse. Auch Rolf Zukowski, hoffentlich habe ich das richtig geschrieben :-)), sang mit den kids und Sonjas größter Wunsch wäre es, mal wieder mit ihm vor großem Publikum zu singen, ja, sie ist schon mutig! :-))! Auch das Personal hatte beim Sommerfest ein Lied umgeschrieben und vorgetragen, wir haben Tränen gelacht und auf Video schau ich es mir auch heute noch gerne an.
Ende des Sommers hatten wir Glück, Sonjas Zustand hatte sich stabilisiert und endlich konnte der Quintenkatheter entfernt werden. Wir konnten nach Hause!Des öfteren hatten wir noch kleinere Problemchen, sowie kurze Klinikaufenthalte, ambulante Besuche im Krankenhaus, einmal auf der Quarantänestation wegen einem Windpockenvirus-wir haben alles überstanden. Regelmäßig bekam Sonja noch Infusionen mit Immunglobulinen, mußte noch eine ziemlich lange Zeit Medikamente und auch das CSA nehmen, heute sind wir bei 4 verschiedenen Medikamenten angelangt. Ihre Haare wurden länger und länger, es ging nur noch bergauf. Lange eigentlich, bis Ende 2001 mußte ich daran arbeiten, Sonja auch psychisch wieder auf die Reihe zu bekommen, man hatte mir sogar geraten, sie für 1 Jahr in ein Heim zu geben, aber ich kämpfe nicht um das Leben meines Kindes, um es dann wegzugeben, außerdem ist kein anderer so in Sonjas Krankengeschichte integriert, so wie ich. Und es hat funktioniert. Wir kommen gut miteinander klar, sind nicht mehr so unnatürlich eng aufeinander angewiesen, jeder läßt dem anderen seinen Freiraum und sie hat wieder gelernt, nicht immer die erste sein zu müssen, mit ihren Geschwistern zu teilen. Das nächste Highlight war dann Sonjas Einschulung, wieder so ein Tag, an dem man vor Freude heulen könnte, nun ist sie gerade in die dritte Klasse gekommen und eine gute Schülerin. Dann hatten wir noch einen vierwöchigen Aufenthalt auf Sylt, eine Reise ins DisneylandParis,sowie eine Feier bei uns zu Hause, mit einer Zaubershow. Darüber berichte ich dann aber noch. Sonja ist nun 8 Jahre alt , hat schulterlanges Haar und ist top-fit, fröhlich und ein aufgewecktes Kind. Sie kommt gut in der Schule mit und lebt fast wie jedes andere, gesunde Kind. Alles hat sich gelohnt, auch wenn ich weiß:
Es kann passieren, daß Sonja irgendwann einen Rückfall bekommt, irgendwann können gravierende Schäden und Leiden durch die Chemo, Medikamente und Bestrahlung autreten, Sonja wird wahrscheinlich durch die Bestrahlung keine Kinder bekommen können, in den Augen einen grauen Star bekommen, sie wird sehr gefährdet sein, für die Entstehung eines Tumors, Hormonstörungen, Wachstumsstörungen hat sie schon, zur Zeit holt sie aber ein wenig auf :-)).
In der Lunge hat Sonja eine chronische GVH, die Lunge stößt das neue Knochenmark ab, hat sich strukturell verändert, das ist nicht ungefährlich. Sie bekommt weiterhin Medikamente und regelmäßig fahren wir zu Untersuchungen in die Uniklinik Erlangen, wo wir auch sehr gut betreut werden.
Wir leben jeden Tag für sich, freuen uns über jeden Tag, den wir haben, Kinder sind sowieso schlauer, die leben im Heute und machen sich nicht so viele Gedanken um das morgen. Sie haben auch nicht so viel Angst vor dem Tod, wie Erwachsene. Der Weg hat sich gelohnt, Sonja durfte weiterleben, und sie lebt mit einer Energie und Lebensfreude, daß man es manchmal gar nicht glauben kann.(geschrieben am 13.10.2002)
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